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Biomechanik der Halswirbelsäule

 

 

Mittlere und untere Halswirbelsäule


Zu dem Bereich der mittleren und unteren Halswirbelsäule zählt man funktionell die Segmente C2-Th1. Wir können sagen, dass die Gleitbewegungen der mittleren und unteren Halswirbelsäule, wie auch in den anderen WS-Abschnitten, Divergenz- bzw. Konvergenzgleitbewegungen sind.


Flexion in der mittleren und unteren Halswirbelsäule (HWS)

Die Flexion soll als eindimensionale Bewegung zuerst betrachtet werden. Bei der Flexion kommt es zu einer Verkleinerung der Kontaktfläche zwischen den Facetten. Hierzu kommt es durch ein Auseinandergleiten der Wirbelbogengelenke und einer Hypomochlionwirkung am Ende der Bewegung. Der Processus artikulares inferior des oberen Wirbels verlagert sich gegenüber des Processus artikulares superior des unteren Wirbels, in kranioventrale Richtung. Dabei ragt der kraniale Gelenkpartner, am Ende der Bewegung über den kaudalen hinaus. Hieraus resultiert ein Hypomochlion, der kraniale Gelenkpartner hebelt sich über die kraniale Kante des kaudalen Gelenkpartners. Es kommt zu einer Kippung der Gelenkflächen der oberen Wirbel über den Gelenkfortsatz des unteren Partnerwirbels nach ventral.

Hierdurch entsteht unterhalb des Hypomochlions ein klaffen des Gelenkspaltes. Das Ausmaß ist jedoch abhängig von der Beschaffenheit des Kapsel-Band-Apparates. Das Endgefühl ist dabei fest-elastisch (Bänderstop).

Die Uncovertebralgelenke auf beiden Seiten stabilisieren diese Bewegung, mit einem parallelen Gleiten. Die Bewegung erfolgt somit praktisch wie auf Schienen. Die Dorn- und Querfortsätze der Wirbelkörper entfernen sich voneinander. Der Annulus fibrosus kommt an der Dorsalseite auf Zugspannung. Vor allem die schräg gegen die Bewegungsrichtung verlaufenden Annulusfasern, werden beansprucht. Anteile des ventralen Annulus, werden dagegen entspannt.

 

Hemmende Strukturen der Flexion sind:

- das Lig. longitudinale posterius

- das Lig. flavum

- die Gelenkkapseln

- die Ligg. intertransversaria

- die interspinalen Bänder samt dem Lig. nuchae

Die Belastung der hemmenden Strukturen ist stark von der Größe des Neigungswinkels abhängig. Je größer der Neigungswinkel der Facetten ist, desto kleiner sind die Zug- und Druck Belastungen.

Bewegungsausmaße
Flexion 8°-17° je nach Segmenthöhe
Besonderheiten Funktion
Die größte Beweglichkeit befindet sich in der mittlere Halswirbelsäule. Oben und unten begrenzt durch Einschränkung der Beweglichkeit mit 8° in den Segmenten C2/C3 und C7/Th1. Auf der Segmenthöhe von C7/Th1 ist auch die Lateralflexion stark vermindert. Die minderbeweglichen Segmente dienen als Sockelfunktion und somit zur Stabilisierung.C3 für die KopfgelenkeTh1 für die mittl. Halswirbelsäule
Bewegungsachse
Die Bewegungsachse ist frontal ausgerichtet und befindet sich in der Mitte des jeweils kaudalen Gelenkpartners, des zu bewegenden Segmentes. Jedoch verlagert sich die Bewegungsachse von C2 zu C7 immer weiter nach kranial. Somit befindet sich die Achse von C6/C7 hoch im Wirbelkörper von C7.

 

Extension in der mittleren und unteren HWS

 

Bei der Extension gibt es folgende wesentliche Unterschiede im Hinblick zur Flexion. Auch hier läuft das parallele Gleiten in Konvergenz unter stabilisierender Beteiligung der Uncovertebralgelenke ab. Viele Komponenten der Flexion drehen sich bei der Extension lediglich um, so gleiten die Facettengelenke nicht nach kranial-kaudal, sondern nach kaudo-dorsal.

 

Weitere Komponenten der Extension sind:

  • Annäherung der dorsalen und Entfernung der anterioren Wirbelkörperhälften
  • Geringe Verlagerung des Nucleus Pulposus mit einer Höhenzunahme ventral und einer Höhenabnahme dorsal.
  • Die schräg gegen die Bewegungsrichtung verlaufenden Annulusfasern kommen vornehmlich ventral-lateral unter Zugbelastung, wobei die entsprechenden dorsalen Fasern entspannt werden.
  • Die Processus spinosi und auch die Processus transversi nähern sich an.
  • Das Endgefühl ist hier jedoch hart-elastisch, bedingt durch den Knochenkontakt des Gelenkfortsatzes des oberen Wirbels mit dem Gelenkfortsatz des kaudalen Wirbels und der beiden Dornfortsätze.
  • In der Endphase ragen die Facetten des kranialen Wirbels in dorso-kaudaler Richtung über die Facetten des kaudalen Wirbels hinaus.
    Dabei kann ein ventro-kraniales Klaffen der Gelenkflächen entstehen.

Hemmende Strukturen:

  • Schräg gegen die Bewegungsrichtung verlaufende ventro-lateralen Annulusfasern
  • Lig. longitudinale anterius
  • Bei extremer Extension knöcherne Hemmung, mittels Querfortsätze des kranialen Wirbels und den Wirbelbogengelenke des kaudalen Wirbels.
  • Gelenkapsel

Lateralflexion der mittleren und unteren Halswirbelsäule

Die Lateralflexion ist wie in den übrigen WS-Abschnitten mit einer Zwangsrotation verbunden. Penning (1964, 1968, 1978) geht noch einen Schritt weiter und behauptet das sich die Lateralflexion, in dem Bereich C2-Th1, nicht von der Rotation unterscheidet. Somit sind weder eine reine Rotation noch Lateralflexion möglich, sondern nur gekoppelte oder Kombinationsbewegungen möglich. Diese Kombinationsbewegungen finden um eine Kompromissachse statt, die senkrecht auf der Ebene der Gelenkflächen verläuft. Wir gehen davon aus, dass sich der Neigungswinkel der Gelenkflächen, in dieser Region 45° beträgt und die Uncovertebralgelenke der Neigungsseite ein Widerlager für die Lateralflexion bilden.

Die Begleitrotation findet in der HWS, unabhängig von der Neigung nach ventral oder dorsal, immer mit einer homonymen oder gleichsinnigen Rotation statt, also immer zur Seite der Lateralflexion.

Zu erwähnen sei auch das bei zunehmender Lateralflexion eine segmentweise Extension auftritt, welche sich von kaudal nach kranial aufbaut und schließlich durch die Kopfgelenke kompensiert wird.

Bewegungsachsen

Sagittale Achse Lateralflexion:
Im Krümmungsmittelpunkt des uncovertebralen Spaltes (Putz 1981)

Vertikale Achse Rotation:
Etwas dorsal vom Mittelpunkt des Wirbelkörpers

Kompromissachse Lateralflexion und Rotation:
Senkrecht auf der Ebene der Gelenkflächen

In der Endphase:
Da in der Endphase eine Kompression des unkovertebralen Gelenkes an der konkaven Seite auftritt, verlagert sich die Bewegungsachse in der Endphase in Richtung Konkavität. Das Unkovertebralgelenk dient somit als Drehpunkt.

Weitere Komponenten der Lateralflexion sind:

  • Bewegungsausmaß n. Penning 35° zu jeder Seite
  • Wanderung der kranialen Facetten an der konvexen Seite nach kranio-ventral und an der konkaven Seite nach kaudo-dorsal.
  • Bei der Ausführung einer Lateralflexion in der frontalen Ebene, entsteht an dem Gelenk an der konkaven Seite eher eine Kompression und an der konvexen Seite eher ein Klaffen der Gelenkflächen.
  • Die Lateralflexion benötigt eine Gegenrotation von etwa 35° in den Segmenten C1/C2, wenn der Kopf in Neutralstellung gehalten werden soll. Um die entstandene Rotation von C2-Th1 auszugleichen.
  • Der Zwischenwirbelraum wird an der konkaven Seite kleiner und an der konvexen Seite größer. Somit gewinnt der Nucleus an der konvexen Seite an Höhe und verliert an Höhe auf der konkaven Seite.

  • Die schräg verlaufenden Annulusfasern kommen vor allem an der konvexen, ventralen und dorsalen Seite unter Zugspannung. Dagegen entspannen sich die Annulusfasern auf der konkaven Gegenseite.
  • Es entsteht ein Konvergenzgleiten (kaudo-dorsal) an der konkaven Seite und ein Divergenzgleiten (kranio-ventral) an der konvexen Seite. Die Querfortsätze folgen Seitengleich.
  • Die Dornfortsätze folgen entgegengesetzt der Rotationsrichtung.
    Beispiel: Lateralflexion nach links --> Rotation nach links --> Wanderung der Dornfortsätze nach rechts oder zur Seite der Konvexität
  • Die Unkovertebralgelenke an der konkaven Seite zeigen ein Klaffen mediokaudal sowie die Gelenke auf der konvexen Seite.

 

Hemmende Strukturen für die Lateralflexion:

  • Annulusfasern an der konvexen, ventralen und dorsalen Seite
  • Gelenkkapsel
  • Wirbelbogen- und Unkovertebralgelenke
  • Ligg. Flava
  • Lig. longitudinale anterius und posterius
  • Ligg. Transversaria
  • Lig. nuchae und ligg. supraspinalia durch ihre anatomische Lage nicht oder nur gering von Bedeutung

Rotation an der mittleren und unteren Halswirbelsäule:

Wie schon oben erwähnt hängen die Bewegungen Lateralflexion und Rotation unweigerlich durch die Stellung der Facettengelenke im Raum zusammen. Es gibt also keine wesentlichen Unterschiede der Rotation in der mittleren und unteren Halswirbelsäule in Bezug auf die Lateralflexion.

Außer dem hinzukommen der Rotation in den Kopfgelenken (C0-C1-C2). Der durchschnittliche Rotationsausschlag beträgt ca. 40° auf jeder Seite, dieser ist jedoch beeinflussbar durch die Stellung der Halswirbelsäule. Somit ist bei Flexion bedingt durch den verminderten Neigungswinkel der Facetten ein höher Rotationsausschlag möglich als bei Extension. Die longitudinale Bewegungsachse für die Rotation verläuft nach Meinung von Putz (1981) durch den Nucleus pulposus und etwas dorsal vom Mittelpunkt des Wirbelkörpers.

In der Endphase der Rotation wandert der Drehpunkt in das Wirbelbogengelenk auf der Rotationsrichtung entgegengesetzten Seite.

 

Beispiel An einem Casus

Konvergenzstörung:

Es stellt sich eine Patientin 25 Jahre mit Schmerzen im Nacken bei Ihnen vor. Die Schmerzen befinden sich grob im Bereich von C2-Th1 und ohne nennenswerte Schmerzausstrahlung. Wir gehen also von einer lokalen Problematik der Halswirbelsäule aus.

Die Patientin beschreibt selber, dass Bewegungen wie Rotation nach links und Extensionsbewegungen die Irritation auf der linken Seite zeigt auslöst.

Als Ausweichbewegung bei der aktiven Extension fügen sich eine Lateralflexion nach rechts und eine leichte Rotation nach links bei.

Weiter zeigte sich ein schmerzhafter Muskelhartspann über dem Segment C4/C5 links. Dagegen waren die Bewegungen nach rechts alle problemlos machbar.

Eine erste Hypothese könnte eine Konvergenzstörung des Facettengelenkes auf der linken Seite in Höhe von C4/C5 sein.

 

Mit einer Fehlstellung in:

Flexion, Latflex. rechts und Rechtsrotation = FRSrechts der Manuellen Therapie der Osteopathie

 

Warum?

Wie wir vorher gelernt haben beschreibt die Konvergenz ein Ineinander gleiten der Facettengelenke mit einem Schließen der Facettengelenke und Einengung des Foramen intervertebrale. Rotation- und Extensionsbewegungen beinhalten diese Komponente, ebenso die Lateralflexion. Folglich müsste die Lateralflexion nach links auch Irritationen hervorrufen, da Rotation und Lateralflexion in der unteren und mittleren Halswirbelsäule nicht wirklich voneinander zu trennen sind.

Flexion

kein Schmerz

Extension

Schmerz

Latflex./Rotation links

Schmerz

Latflex./Rotation rechts

kein Schmerz

 

Divergenzstörung:

Zu Ihnen kommt ein Patient 35 Jahre und berichtet von Nackenschmerzen die über Nacht aufgetreten sind. Weiter berichtet er, er habe am Abend zuvor mit ein paar Freunden Fußball geschaut und nach dem Sieg etwas gefeiert.

Die Schmerzen treten bei Flexion der Halswirbelsäule sowie Rotation nach rechts, an der linken Seite auf.

Weiter ist die Lateralflexion nach rechts ebenfalls eingeschränkt und schmerzhaft.

Es findet sich ein Muskelhartspann an der rechten Seite in Höhe von C4/C5.

Eine erste Hypothese könnte eine Divergenzstörung des Facettengelenkes auf der linken Seite in Höhe von C4/C5 sein.

Mit einer Fehlstellung in:

Extension, Latflex. links und Linksrotation = ERSlinks der Manuellen Therapie der Osteopathie

Warum?

Die Divergenz beschreibt ein Auseinander gleiten der Facettengelenke mit einem öffnen der Facettengelenke. Rotation- und Flexionsbewegungen beinhalten diese Komponenten, ebenso die Lateralflexion.

 

Flexion

Schmerz

Extension

kein Schmerz

Latflex./Rotation links

kein Schmerz

Latflex/Rotation rechts

Schmerz

 

 

 
           

 

 

Praxis für Naturheilkunde Physio- und Osteopathie

Oliver Geck
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